Gemeinwohl-Ökonomie

Der Erfolg von Unternehmen und Organisationen wird nicht nur nach dem finanziellen Erfolg gemessen, sondern auch nach dem Nutzen, welches es dem Wohl der Allgemeinheit bringt. Damit werden auch jene belohnt, die ihr Gebäude nach baubiologischen Kriterien bauen.
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist weder das beste aller Wirtschaftsmodelle noch das Ende der Geschichte, nur ein nächster Schritt nach den Extremen Kapitalismus und Kommunismus. Sie ist ein partizipativer Prozess, entwicklungsoffen und sucht Synergie mit ähnlichen Ansätzen wie: Solidarische Ökonomie, Economie sociale, Gemeinschaftsgüter-Bewegung, Postwachstumsökonomie, Vier-in-Einem-Perspektive oder Economic Democracy. Auch wir Baubiologen können uns im Netzwerk einbringen.

Die folgenden 17 Punkte der Gemeinwohl-Ökonomie wurden von Christian Felber  ausgearbeitet und daraufhin gemeinsam mit einem Kreis von UnternehmerInnen weiterentwickelt, um eine konkreten und sofort gangbaren Weg aufzuzeigen, siehe auch http://www.economia-del-bene-comune.it/de bzw. https://www.ecogood.org
 

  1. Die Gemeinwohl-Ökonomie beruht auf denselben Grundwerten, die unsere Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Kooperation, Wertschätzung, Demokratie, Solidarität. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sind gelingende Beziehungen das, was Menschen am glücklichsten macht und am stärksten motiviert.
  2. Der rechtliche Anreizrahmen für die Wirtschaft wird umgepolt von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Kooperation und Gemeinwohlstreben. Unternehmen werden für gegenseitige Hilfe und Kooperation belohnt. Kon(tra)kurrenzverhalten bringt Nachteile.
  3. Wirtschaftlicher Erfolg wird nicht vorrangig in Geldgrößen gemessen, sondern mit der Gemeinwohl-Bilanz    (Unternehmensebene)    und    dem    Gemeinwohl-Produkt (Systemebene). Die Gemeinwohl-Bilanz wird zur Hauptbilanz aller Unternehmen. Je sozialer, ökologischer, demokratischer und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse erreichen sie. Je besser die Gemeinwohl- Bilanz-Ergebnisse der Unternehmen in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist das Gemeinwohl-Produkt.
  4. Die Unternehmen mit guten Gemeinwohl-Bilanzen erhalten rechtliche Vorteile: niedrigere Steuern, geringere Zölle, günstigere Kredite, Vorrang beim öffentlichen Einkauf und bei Forschungsprogrammen etc. Der Markteintritt wird dadurch für ethische Akteure erleichtert und ihre Produkte und Dienstleistungen billiger als unethische, unfaire und unökologische.
  5. Die Finanzbilanz wird zur Nebenbilanz. Kapital wird vom Zweck zum Mittel. Es dient nur noch dazu, den neuen Unternehmenszweck (Beitrag zum allgemeinen Wohl) zu erreichen. Bilanzielle Überschüsse dürfen verwendet werden für: Investitionen (mit sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rückstellungen in einem begrenzten Ausmaß; begrenzte Ausschüttung an die MitarbeiterInnen sowie für zinsfreie Kredite an Mitunternehmen; nicht verwendet werden dürfen Überschüsse für: Ausschüttung an Personen, die nicht im Unternehmen mitarbeiten; feindliche Aufkäufe anderer Unternehmen; Investitionen auf den Finanzmärkten (diese gibt es nicht mehr) sowie Parteispenden.
  6. Da Gewinn nur noch Mittel, aber kein Ziel mehr ist, können Unternehmen ihre optimale Größe anstreben. Sie müssen nicht mehr Angst haben, gefressen zu werden und nicht mehr wachsen, um größer, stärker oder profitabler zu sein als andere. Alle Unternehmen sind vom allgemeinen Wachstums- und vom Fresszwang erlöst.
  7. Die Einkommens- und Vermögensungleichheiten werden begrenzt: die Maximal- Einkommen auf z. B. das 20-fache des gesetzlichen Mindestlohns; Privatvermögen auf z. B. 10 Millionen Euro; das Schenkungs- und Erbrecht auf z. B. 500.000 Euro pro Person; bei Familienunternehmen auf z. B. zehn Millionen Euro pro Kind. Das darüber hinaus gehende Erbvermögen wird als „Demokratische Mitgift“ an alle Nachkommen der Folgegeneration verteilt: gleiches „Startkapital“ bedeutet höhere Chancengleichheit. (Die genauen Grenzen sollen von einem Wirtschaftskonvent demokratisch ermittelt werden.)
  8. Bei Großunternehmen gehen ab einer bestimmten Größe (z. B. 250 Beschäftigte) Stimmrechte und Eigentum teil- und schrittweise an die Beschäftigten und die Allgemeinheit über. Die Öffentlichkeit könnte durch direkt gewählte „regionale Wirtschaftsparlamente“ vertreten werden. Die Regierung soll keinen Zugriff/kein Stimmrecht in öffentlichen Unternehmen haben.
  9. Das gilt auch für die „Demokratischen Allmenden“, die dritte Eigentumskategorie neben einer Mehrheit (kleiner) Privatunternehmen und gemischt-besessenen Großunternehmen. „Demokratische Allmenden“ sind Gemeinwirtschaftsbetriebe im Bildungs-, Gesundheits-, Sozial-, Mobilitäts-, Energie- und Kommunikationsbereich: die „Daseinsvorsorge“.
  10. Eine wichtige Demokratische Allmende ist die „Demokratische Bank“. Sie dient wie alle Unternehmen dem Gemeinwohl und wird wie alle Demokratischen Allmenden vom demokratischen Souverän kontrolliert und nicht von der Regierung. Ihre Kernleistungen sind garantierte Sparvermögen, kostenlose Girokonten, kostengünstige Kredite und ökosoziale Risikokredite. Die Finanzmärkte in der heutigen Form wird es nicht mehr geben.
  11. Die Erwerbsarbeitszeit wird schrittweise auf das mehrheitlich gewünschte Maß von 25 – 30 Wochenstunden reduziert. Dadurch wird Zeit frei für drei andere zentrale Arbeitsbereiche: Beziehungs-    und    Betreuungsarbeit    (Kinder,    Kranke,    SeniorInnen), Eigenarbeit (Persönlichkeitsentwicklung, Kunst, Garten, Muße) und politische und Gemeinwesenarbeit.
  12. Jedes zehnte Berufsjahr ist ein „Freijahr“ und wird durch ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert. Menschen können hier tun, was sie wollen. Diese Maßnahme entlastet den Arbeitsmarkt um zehn Prozent – die aktuelle Arbeitslosigkeit in der EU.
  13. Die repräsentative Demokratie wird ergänzt durch direkte Demokratie und partizipative Demokratie. Der Souverän soll seine Vertretung korrigieren, selbst Gesetze beschließen, die Verfassung ändern und Versorgungsbereiche – Bahn, Post, Banken – kontrollieren können. In einer echten Demokratie sind die Interessen der Vertretung und des Souveräns ident – Voraussetzung dafür sind umfassende Mitgestaltungs- und Kontrollrechte des Souveräns.
  14. Alle Eckpunkte sollen in einem breiten Basisprozess durch intensive Diskussion ausreifen, bevor sie von einem direkt gewählten Wirtschaftskonvent in Gesetze gegossen werden. Über das Ergebnis stimmt der demokratische Souverän ab. Was angenommen wird, geht in die Verfassung ein und kann nur wieder vom Souverän selbst geändert werden.
  15. Neben dem Wirtschafts- oder Gemeinwohlkonvent könnten zur Vertiefung der Demokratie weitere    Konvente    einberufen    werden:    Bildungs-,    Medien-, Daseinsvorsorgekonvent, ...
  16. Um die Werte der Gemeinwohl-Ökonomie von Kind an vertraut zu machen und zu praktizieren, werden folgende Unterrichtsinhalte eingeführt: Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde,    Genderkunde,    Demokratiekunde,    Naturerfahrens- /Wildniskunde.
  17. Da in der Gemeinwohl-Ökonomie unternehmerischer Erfolg eine ganz andere Bedeutung haben wird als heute und deshalb ganz andere Führungsqualitäten gefragt sein werden, werden die sozial verantwortlichsten und kompetentesten, die zum Mitgefühl und zur Empathie fähigen, die über sich hinaus sozial und ökologisch denkenden und fühlenden Menschen tendenziell nachgefragt werden und als Vorbilder gelten.


Filme zur Gemeinwohl-Ökonomie:
Christian Felber Gemeinwohl. Im Interview mit Teresa Arrieta, siehe Film unten‬ (siehe auch youtube)
‪Christian Felber+Bankengründung+Gemeinwohlökonomie‬ (youtube)
‪Finanzkrise: Symptom einer Systemkrise? 05.12.2011‬ (youtube)
‪Geldsystem, Zinsproblem, versagende Marktwirtschaft & Gesellschaft‬ (youtube)